Aufpfropfen

Europäische Weinstöcke bestehen heutzutage selten nur aus einer Rebsorte. Im Gegenteil, ein sortenreiner Rebstock ist extrem selten und die Weine davon eine Rarität.

Beim Aufpfropfen werden zwei verschiedene Gehölze miteinander verbunden, mit dem Ziel eine Pflanze besser zu machen, sie zu veredeln. Im modernen Weinbau sind aufgepfropfte Reben der Normalzustand. Konkret werden die europäischen Reben auf den Wurzelstock einer amerikanischen Rebe aufgepfropft. Hierzu werden beide Pflanzen angeschnitten und an der Schnittstelle aufeinandergesetzt. Danach wachsen sie zusammen, wobei unter anderem alle Gefäße vollständig verbunden werden und der Rebstock voll lebensfähig ist. Ein Wunder der Natur …

Doch warum macht man diesen Aufwand? Zur Erklärung hilft ein kurzer Blick in die Geschichte:

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts litten die europäischen Winzer unter einer großen Reblausplage, der viele Weinberge zum Opfer fielen und die Winzer mehrere Jahrzehnte lang um einen Großteil der Erträge brachte.

Die Reblaus schädigte mit ihrem Speichel die Wurzeln der Rebstöcke, so dass diese immer weniger Trauben produzierten und schlussendlich eingingen. Irgendwann entdeckte man, dass amerikanische Reben immun gegen den schädlichen Speichel des Schädlings waren. Durch die Technik des Aufpfropfens konnte man nun die europäischen Rebsorten mit einer amerikanischen Rebwurzel verbinden und so eine Resistenz des Rebstocks gegen die Reblaus erreichen.

Funfact 1 – Naschbaum

Außer im Weinbau wird das Aufpfropfen vor allem im Obstbau eingesetzt. Neben den nützlichen Vorteilen, wie den erwähnten Resistenzen gegen Krankheiten, kann man dadurch auch sogenannte “Naschbäume” züchten. Gerade in kleinen Gärten bietet es sich an, dass auf einem Baum verschiedene(!) Früchte wachsen und verzehrt werden können.

Auch unterschiedliche Sorten einer Frucht sind möglich. Beispielsweise kann ein Birnenbaum mit vier oder mehr Sorten während des Jahres verschiedene Birnensorten tragen, wenn diese zu unterschiedlichen Zeiten reifen – ein echter “Multibaum“.

Funfact 2 – Kröten

Während der Plage wurde die Reblaus unter anderem dadurch bekämpft, dass man Kröten unter dem Rebstock eingrub! Geholfen hat das natürlich nichts, aber was war das für eine Heidenarbeit und wieviel Kröten hat man sich als normaler Winzer dann besorgen müssen? Vor allem, wie und wo? Es gibt Fragen, da möchte man die Antwort gar nicht wissen.

Eine andere Methode war es, mit Stöcken auf den Boden um den Weinstock einzuschlagen. Sicherlich ähnlich anstrengend, genausowenig effektiv, aber wesentlich krötenschonender …